I. Retail Talk „Wo ist der Handel der Zukunft zuhause?" vom März 2022

Möbel, Stoffe, Lampen, Kleider: Ganz im Zeichen des reichhaltigen, lebendigen und inspirierenden Austausches unter Händler*innen über die unterschiedlichsten Geschäftsmodelle stand die Retail Tour in München und Raubling. Aber auch über das einzelne Geschäft hinaus, über die Innenstadt und den Handel will man ins Gespräch kommen bei der Rid Stiftung.  „Wo ist der Handel der Zukunft zuhause?“ lautete die Fragestellung des ersten Retail Talks, denn die beiden letzten Jahre haben gezeigt, wie unverzichtbar die gemeinsame Gestaltung des öffentlichen Raumes ist und wie wichtig das Zusammenwirken von Handel und Politik vor Ort ist. Zum Retail Talk hatte daher die Rid Stiftung in das Munich Urban Colab eingeladen. Dieser neue geschaffene Ort in der bayerischen Landeshauptstadt hat sich das Ziel gesetzt, die Themen einer lebenswerten Stadt der Zukunft zu bündeln. Neben Politik und Handel war auch Fachpublikum aus der Verwaltung und der Wissenschaft unter den rund 120 Gästen. Münchens 2. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, Rosenheims 2. Bürgermeister Daniel Artmann und Franz Müller aus dem Bayerischen Wirtschaftsministerium diskutierten mit Stefan Rollwagen, dem Geschäftsführer von Egetemeier Wohnkultur und Karin Stäbler, der Geschäftsführerin der eatenet GmbH aus Rosenheim. Sabine Hansky, die Programmdirektorin des Munich Urban Colab moderierte die Podiumsdiskussion.

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Retail Talk - Keynote Prof. Dr. Silke Weidner

Retail-Tour Nachbericht

Podiumsdiskussion
Alle Videos zu einzelnen Aspekten der Podiumsdiskussion finden Sie hier.

Wie inspirierend die zwei Tage der Retail Tour „Auf Zukunft eingerichtet!“ gewesen seien, hob die Vorständin der Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel, Michaela Pichlbauer bei ihrem Dank an die Händler*innen in Raubling und München hervor. Nicht erst die Pandemie der letzten beiden Jahre habe gezeigt, wie wichtig die direkten Begegnungen der Menschen sind, was uns alles fehlt, wenn wir nicht im öffentlichen Raum oder in den Geschäften persönlich sein können. Die Krise habe aber auch gezeigt, wie sehr Stadt und Handel Teil eines gemeinsamen Ökosystems sind und daher auch der gemeinsamen Gestaltung bedürfen.

Dass die Städte, ebenso wie der Handel bereits vielfach unter Beweis gestellt haben, dass sie Anpassungsfähigkeit und auch Stabilität gleichermaßen aufweisen, daran erinnerte die Stadtplanerin, Prof. Silke Weidner von der TUB Cottbus in ihrem einleitenden Vortrag. Das Zielbild einer „nachhaltigen Stadt“ müsse die Dimensionen Aufenthaltsqualität, Nutzungsmischung, Erreichbarkeit und bauliche Ästhetik auch ganz praktisch kombinieren können und dass es jetzt auch Mut zum gemeinsamen Experiment brauche, betonte die Wissenschaftlerin. Auch zu bisher unüblichen Akteurskonstellationen riet sie, zum direkten Austausch der Kommune mit den Immobilieneigentümern oder mit den Sozialpartnern. Und dass dies alles nicht von selbst gehen wird, sondern dass die Städte eine(n) Regisseur*in für die Innenstädte brauchen werden, da war sich die Wissenschaftlerin sicher.

Der Handel verändert sich seit vielen Jahren durch die Möglichkeiten des Onlinehandels, aber es verändert sich dadurch auch seine Bedeutung für die Städte. Sinkende Besucherfrequenzen und Leerstände waren in so manchen Innenstädten auch vor Corona bereits ein Thema. Die 2. Bürgermeisterin der LH München hob hervor, dass die Innenstadt ein lebenswerter Ort sein muss, an dem man vieles „erledigen“ und genießen kann, auch konsumfreie, grüne Bereiche seien wichtig. Die Multifunktionalität in der Innenstadt begünstigen, dabei wolle die Stadt in Zukunft bis hin zu Genehmigungsverfahren stärker unterstützen. Stefan Rollwagen, der Geschäftsführer von Egetemeier Wohnkultur konnte ein ganz konkretes Beispiel dafür beisteuern, dass es manchmal nicht nur zeitraubende Verfahren sind, die dem Händler und dem Vermieter unnötig Geld kosten, sondern dass man bei so manchen Fragestellungen gar nicht wisse, an wen man sich bei der Stadt wenden soll – dafür soll aber es in München demnächst tatsächlich eine(n) City Manager*in geben. Auch ein verbessertes Baustellenmanagement wird es bald geben, sodass Straßen nicht mehrmals hintereinander zum Leidwesen aller aufgerissen werden.

 

Von Rosenheim und dem 2. Bürgermeister Daniel Artmann konnte man lernen, dass dort die Krise genutzt wurde, um viele staatliche Fördergelder zu akquirieren, aber die Stadt selber auch beispielsweise kostenfreien Strom für Events in der Stadt beigesteuert habe. Auch wurden die Händler dabei unterstützt, ihre Online-Aktivitäten zu verbessern und um gemeinsam digital sichtbar zu werden. Eine ähnliche Initiative gab es auch in München.

Die Internetpionierin und CEO der eatenet GmbH Karin Stäbler aus Rosenheim hob hervor, wie wichtig es sei, dass die Innenstadt nicht als monolithischer Block gedacht wird, sondern dass es gelte, sie mit Heterogenität und dadurch mit Leben zu füllen – Theater, Kinos, Orte für Kunst und Kultur nannte sie als Beispiele. Thematische Quartiere stelle sie sich vor und dass darüber auch medienwirksam kommuniziert werden müsse.  Für den Handel besteht die Kernaufgabe online wie offline darin, aus der Sicht der Kund*innen zu denken, kuratierte Sortimente anzubieten – etwas, das Egetemeier Wohnkultur und die anderen Teilnehmer der Retail Tour seit vielen Jahr konsequent entlang klarer Zielgruppen und perfektem Service machen.  

Franz Müller vom Bayerischen Wirtschaftsministerium wies nicht nur auf die Förderlinien „Digitale Einkaufsstadt“ und „Bayern unterstützt seine Händler“ hin, sondern erläuterte auch, warum es in Bayern so schwierig ist, das Ladenschlussgesetz zu liberalisieren und dass man sich an der Anlassbezogenheit der Marktsonntage besser nicht verkämpfen sollte – es gäbe wichtigere Handlungsfelder. Oft kam die Diskussion an Punkte, an denen rechtliche Grenzen deutlich wurden. Wenn Städte in Zukunft eigene Entwicklungsimpulse setzen müssen, weil nicht jede Stadt ein Selbstläufer ist oder bleiben wird, dann wird die Vereinfachung bzw. die Beschleunigung von Verwaltungs- und Genehmigungsvorgängen vielleicht eines der wichtigsten Instrumente im Wettbewerb der Kommune um experimentierwillige Investoren werden. „Es sind die Menschen, die darüber entscheiden, wo sie hingehen. Alle Städte sind unterschiedlich.“ Nach der gut eineinhalbstündigen, lebendigen und vielschichtigen Gesprächsrunde herrschte Einigkeit: Der Stadt als pulsierendem Mittelpunkt des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens kann nicht Aufmerksamkeit genug geschenkt werden, denn sie ist ein kostbares Gut.

(Text: Rid Stiftung / Rafael Sala)

Bilder oben von links nach rechts: Franz Müller (Bayerisches Wirtschaftsministerium), Karin Stäbler (eatenet), Sabine Hansky (Munich Urban Colab), Katrin Habenschaden (2. Bürgermeisterin, LH München), Daniel Artmann (2. Bürgermeister, Rosenheim)

Bilder unten von links nach rechts: Michaela Pichlbauer (Rid Stiftung), Andreas Götzendorfer (Referat für Arbeit und Wirtschaft, LH München), Prof. Dr. Silke Weidner (BTU Cottbus), Stefan Rollwagen (Egetemeier Wohnkultur), Nico Schröder (hystreet), Wolfgang Fischer (CityPartnerMünchen)

Retail Talk - Impressionen (auf Bild klicken um Galerie zu öffnen)