30 Jahre Rid Stiftung
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Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel

März 2021

Die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel stellt die 9. von vielen bayerischen Erfolgsgeschichten vor. Wir führen unsere Serie „Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel" fort, mit dem Online Marktplatz für regionale Produkte „atalanda“.

Episode 9 - "atalanda" – Lokal einkaufen, online shoppen

Nahe der österreichischen Grenze, im oberbayerischen Freilassing, macht schon seit Jahren "atalanda" von sich reden. Das im Jahre 2012 als klassisches Start-up gegründete Unternehmen befindet sich nach ersten Anlaufschwierigkeiten inzwischen kontinuierlich auf der Erfolgsspur und – man höre und staune – ergänzt das Angebot von Internet-Riesen wie Amazon und Google. Das Geschäftsmodell: die Verknüpfung digitaler Strukturen mit der Geschäftswelt vor Ort. "atalanda" bietet die Möglichkeit, Produkte bei lokalen Händlern bequem online zu bestellen und weiterhin mit dem Geschäft in Kontakt zu bleiben. Aktuell vertreten ist die Firma in 24 Städten. Corona hat ihr noch einmal einen Schub nach oben gegeben. Für sein erfolgreiches Konzept erhielt Geschäftsführer Roman Heimbold bereits 2015 von der Rid Stiftung den Sonderpreis des Innovationswettbewerbs "Handel im Wandel". Rückblick und Ausblick einer Erfolgsgeschichte aus dem bayerischen Einzelhandel.

 

(Bildinfo: Ergänzt mit seinem Geschäftsmodell das Angebot von Internet-Giganten wie Amazon: Roman Heimbold, Geschäftsführer von „atalanda“. Das Unternehmen mit Sitz in Freilassing verbindet erfolgreich online- und offlineshopping-Strategien auf der lokalen Ebene. Foto: Rid Stiftung/Jan Schmiedel)

Der Händler bleibt nicht anonym, sondern ist von Anfang an der zentrale Player
Die Konstellation erinnert ein wenig an den biblischen Kampf zwischen David und Goliath. Auf der einen Seite: Internet-Giganten wie Amazon, Google und ebay, deren globale Marktführerschaft im Online-Handel ungebrochen scheint. Auf der anderen Seite: kleinere Firmen, die nur lokalen Akteuren ein Begriff sind. "atalanda" im oberbayerischen Freilassing zum Beispiel, das inzwischen 14 haupt- und mehrere nebenberufliche Mitarbeiter*innen beschäftigt.

In den Räumlichkeiten des Unternehmens sind mehrere, große Bildschirme an den Wänden befestigt. Viele Kurvenverläufe mit für die Firma wichtigen Informationen sind darauf zu sehen. Hier also wird der „Stein“ in die Hand genommen gegen die Branchenriesen, die Goliaths im weltweiten Netz mit ihrer vermeintlich ungebrochenen Macht. Die „Schleuder“, die das bewerkstelligt, ist denkbar einfach konstruiert. Sie besteht aus genau zwei Elementen, die am besten mit den Schlagworten „Online“- und „Offline-Shopping“ umrissen sind. Vereinfacht gesagt: Bestellt wird die gewünschte Ware zwar im Internet, aber – und das ist der springende Punkt – der Händler bleibt nicht anonymer Lieferant, dessen Namen man nicht einmal kennt, sondern er bleibt erkennbar. Und zwar nicht nur beim Kauf des Produkts, sondern bei allen weiteren Service- und Dienstleistungen, sowie als persönlicher Ansprechpartner im After-Sales-Bereich. Er ist für den Kunden und die Kundin im wahrsten Sinne des Wortes „sichtbar“. „Bei den großen Internet-Händlern wird versucht, den Händler ganz nach hinten zu rücken oder gar nicht in Erscheinung treten zu lassen“, schildert der 43-jährige gebürtige Mecklenburger. „Wir hingegen geben ihnen eine Plattform, auf der sie sich mit ihren Produkten präsentieren können. Wir fördern den direkten Kontakt zwischen Kunden und Händlern.“

(Bildinfo: Immer im Blick: die Kurvenverläufe der einzelnen lokalen Händler auf dem Online Marktplatz „atalanda“. Foto: Rid Stiftung/Jan Schmiedel)

Im Internet bequem bestellen und damit sogar das lokale Netzwerk stärken
Die besten Ideen muss man bekanntlich oft gar nicht lang suchen, sondern es genügt, ein treffsicheres Gespür zu haben. Das hat Heimbold mit seinem Geschäftsmodell bewiesen. „atalanda“ bietet die Möglichkeit, Produkte von lokalen Händlern einfach und schnell online zu bestellen. Der Kunde kann sich das Sortiment der Händler, die an der Plattform teilnehmen, landesweit online anschauen und sich die Ware dann bequem nach Hause liefern lassen. Dies noch am selben Tag – wenn der Kunde im gleichen Ort wohnt. Alternativ kann er den gewünschten Artikel aber auch – und das unterscheidet „atalanda“ von der Konkurrenz – in seinem Wohnort selbst abholen. „Einfach online aussuchen und die Ware dann im jeweiligen Geschäft persönlich entgegennehmen“, schildert der Verkaufsprofi. Inzwischen präsentieren viele teilnehmende Händler aus ganz Deutschland, von Hamburg über Wuppertal bis nach Günzburg und Pfaffenhofen, ihr Sortiment im Online-Schaufenster von „atalanda“. Wie er es von einem lokalen Geschäft gewohnt ist, kann sich der Interessent das Angebot der jeweiligen Geschäfte vor Ort bequem anschauen und sich ganz in Ruhe für das gewünschte Produkt entscheiden. Die Firma ist derzeit deutschlandweit in 24 Städten vertreten – neben den genannten unter anderem in Heilbronn, Monheim am Rhein, Ettlingen, Bochum und vielen anderen. Immer wieder kommen neue hinzu – sie geben dem Unternehmen die Dynamik, die bereits im Namen steckt. „Atalanda“ leitet sich aus der griechischen Mythologie ab und bedeutet „die Schnellste unter den Jagdgöttinnen“. „Hinzu kommt, dass sie amazonenhaft ist“, merkt der findige Unternehmer schmunzelnd an.

(Bildinfo: Ganze Städte und Marktplätze stellen über die „atalanda“-Plattform inzwischen ihr Sortiment ins Netz. Foto: Rid Stiftung/Jan Schmiedel)

Anfangs stotterte der Motor. Dann kam eine Anfrage aus Wuppertal – und mit ihr Erfolg
Dabei war der Anfang alles andere als leicht. Und: Heimbold ging ein hohes Risiko ein: Er warf eine sichere und gut dotierte Anstellung als Geschäftsführer einer Medienagentur in München hin. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit unterrichtete er auch an der Fachhochschule Salzburg in der Sparte Multimediatechnologie. Und genau hier, nach einer Vorlesung, kam ihm die entscheidende Marketingidee: Städte, Gemeinden und andere Ortschaften als „dezentrales Warenlager“ zu begreifen und ihnen ein umfassendes Forum für die Produkte ihrer Händler zu geben. „Im Grunde sind ja alle Strukturen schon da, man muss nur einen übergeordneten Marktplatz schaffen.“ Der dreifache Familienvater machte sich ans Werk – und landete erst einmal einen Flop. 2012 war das. In Hamburg und Salzburg klopften er und sein Team bei den unterschiedlichsten Händlern an. Weit über zwei Drittel bekundeten sogleich ihr Interesse, einzusteigen und ihre Waren über die neue Plattform zu präsentieren. Doch als es dann an die Umsetzung ging und die Geschäfte ihre Daten, Bilder und Fotos hätten liefern sollen, war die Zahl derjenigen, die anfangs zugesagt hatten, auf 20 Prozent zusammengeschmolzen. „Es ist einfach nichts passiert. Das war frustrierend. Ich spielte mit dem Gedanken, alles hinzuschmeißen“, bekennt der Geschäftsmann freimütig. Doch wie so oft im Leben kommt der Erfolg dann, wenn man ihn am wenigsten erwartet. Bei Heimbold waren das der Local-Commerce-Experte Andreas Haderlein und die Wirtschaftsförderer der nordrhein-westfälischen Stadt Wuppertal. Sie waren auf den neuen, im Aufbau begriffenen Dienst aufmerksam geworden, von der Idee fasziniert – und boten an, bei möglichst vielen Händlern der Stadt vorstellig zu werden und sie für Heimbolds Konzept zu begeistern. Gesagt, getan: Zahlreiche von ihnen stiegen ein und schufen so das erste breite Fundament der neuen Plattform im Netz. Seitdem weiß Heimbold, dass es für seinen Unternehmenserfolg auf zwei Dinge ankommt: „Es muss jemanden geben, der die Beziehungen vor Ort herstellt, also eine Art sozialen Kümmerer, und die Händler müssen motiviert sein. Sonst klappt es nicht. Der Wunsch nach einer solchen Plattform, wie wir sie bieten, muss von innen herauskommen. Von ganzem Herzen.“ Inzwischen arbeitet das Team rund um die Uhr, 24 Stunden lang daran, die Vorteile des lokalen Handels mit den Vorzügen des Online Shoppings zu verbinden. Auch in Luxemburg ist „atalanda“ inzwischen aktiv. Die seit Anfang 2020 allgegenwärtige Corona-Krise hat dem Unternehmen noch einmal einen Schub nach oben gegeben: Die Umsätze sind in den vergangenen Monaten wegen des Lockdowns deutlich gewachsen. „Die Menschen kaufen immer mehr von Zuhause aus. Davon profitiert unser Dienst natürlich.“

(Bildinfo: Firmengründer und Visionär Roman Heimbold. Foto: Rid Stiftung/Jan Schmiedel)

Die Produktvielfalt ist beachtlich. Über „atalanda“ kann beim örtlichen Händler eine ganze Menge gekauft werden. Ob aktuelle Damen- und Herrenmode oder Textilien für Kinder, ob Bücher und Medien, ob Elektronik oder Lebensmittel: „Das Sortiment, auf das der Kunde zugreifen kann, ist groß“, schildert Heimbold. Sportartikel gibt es ebenfalls in Hülle und Fülle. Doch nicht nur regionale Geschäfte, sondern auch ortsansässige Dienstleister bieten ihre Leistungen bei „atalanda“ an. Ein Termin beim Friseur, Steuerberater oder Physiotherapeuten kann online genauso schnell angefragt werden wie ein Wochenendausflug mit der Familie. Außerdem kann sich der Nutzer bzw. die Nutzerin zentrale Informationen zu neuen Restaurants, Hotels oder Eisdielen in seiner Stadt verschaffen und einen Überblick über anstehende Veranstaltungen in der Region bekommen. Und auch hier gilt wieder die Devise: online kaufen, doch auf den Service und die Dienstleistungen des Händlers vor Ort nicht verzichten müssen! Ein Markenzeichen der Firma ist dabei das so genannte „Same Day Delivery-Prinzip“, also die Möglichkeit, die Ware noch am gleichen Tag geliefert zu bekommen. „Damit sind wir in vielen Städten schneller als Amazon Prime“, schildert Heimbold. Genau dieses Zusammenspiel aus unterschiedlichen Erfolgsfaktoren war es, was die Rid Stiftung dazu veranlasste, „atalanda“ den Sonderpreis des Innovationswettbewerbs „Handel im Wandel“ 2015 zu verleihen. „Es gibt schon seit einigen Jahren verschiedene Ansätze für Online-Marktplätze, mittlerweile auch viele gute. Bei atalanda hat damals bereits überzeugt, dass Herr Heimbold nicht nur einen technologischen Ansatz verfolgte, sondern erkannt hatte, dass es auch um ein lokales Kooperationsproblem geht“, begründet Vorständin Michaela Pichlbauer die damalige Entscheidung der Jury. Die Partner des Innovationswettbewerbs, das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, der HBE Handelsverband Bayern, die bayerischen IHK’s und unternehmerTUM haben den Wettbewerb ins Leben gerufen, um sichtbar zu machen, welche vielversprechenden Ansätze es bereits im mittelständischen Einzelhandel gibt, um die Online-Welt mit der Offline-Welt klug zu verbinden. Das Beispiel „atalanda“ zeigt: Einen Goliath herauszufordern, ist gar nicht so schwer. Man muss nur ein kleiner David sein, eine zündende Idee haben und sie im richtigen Augenblick gemeinsam mit anderen umsetzen.

(Bildinfo: Auch Händler in Pfaffenhofen nutzen die Plattform von „atalanda“. Foto: atalanda)

 

Text: Rid Stiftung / Rafael Sala

 

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