30 Jahre Rid Stiftung
1988 2018

Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel

Oktober 2019

Die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel stellt die 4. von vielen bayerischen Erfolgsgeschichten vor. Wir führen unsere Serie „Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel" fort, mit Catrin Graf, der Gründerin von Graf-Dichtungen GmbH.

Episode 4 – Graf Dichtungen

Im Dienst der Dichtungen: Catrin Graf führt ihr erfolgreiches Unternehmen, die „Graf-Dichtungen GmbH“, in dritter Generation.

 

Für ihr Unternehmen ist Catrin Graf 2019 mit dem Wirtschaftspreis „LaMonachia“ der Landeshauptstadt München ausgezeichnet worden. Die Graf-Dichtungen GmbH, ein Spezialfachhandel in der Renovierungsbranche des Bausektors mit Hauptsitz in München-Freiham, hat sich auf den Vertrieb und die Herstellung von Dichtungsprofilen spezialisiert. Das Sortiment umfasst über 5000 Profile mit passendem Zubehör. Ein blühender Geschäftszweig ist längst auch der Online-Handel – unter anderem Dank des Förderangebots der Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel. Ein Besuch vor Ort.

 

(LaMonachia Preisverleihung 2019, von links: Laudatorin Nicole Stocker, Hofpfisterei, Preisträgerin Cathrin Graf, Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft der LH München - Foto: Erol Gurian)

Ohne sie ginge nichts, der Alltag inmitten der eigenen vier Wände wäre lahmgelegt. Der Kühlschrank würde nicht richtig schließen, die Türen würden krachend ins Schloss fallen. Der Strahl aus dem Wasserhahn würde nicht ebenmäßig sprudeln, sondern einer Gischt-Fontäne gleichen. Dichtungen sind unscheinbar, kaum jemand nimmt von ihnen Notiz – bis sie nicht mehr funktionieren: Dann ist der Katzenjammer groß, und die hektische Fahrt zum nächsten Baumarkt steht an. Leider führt dieser nur ein kleines Sortiment, und die richtige Dichtung ist nicht dabei! Diese Objekte sind nicht nur heimliche Helfer, sondern die stillen, sehr vielfältigen, eigentlichen Helden des Alltags. Wenn es so etwas wie einen Adelsstand für Gegenstände gäbe – diese anschmiegsamen Gummigebilde gehörten auf jeden Fall dazu. All ihrer Nüchternheit zum Trotz: Nicht nur Menschen sind groß – auch Dinge können es sein. Zumal, wenn sie so unentbehrlich sind.

Einen Lebenstraum verwirklicht

Doch wie bei so vielem im Leben kommt es auf die Passgenauigkeit und auf die Qualität an: Selbst, wenn man die richtige Dichtung gefunden, diese aber minderwertige Materialeigenschaften hat – wenn sie etwa schnell porös wird – dann kann sie ihren Dienst nicht erfüllen. Höchste Produktstandards sind daher erforderlich. Genau diese bietet Catrin Graf: Die gebürtige Münchnerin hat sich auf den Handel mit Dichtungen spezialisiert: Sie und ihr 30-köpfiges Team bieten für Fenster, Türen,
Duschen und jede Menge Spezialgebiete Dichtungsprofile in nahezu allen Mengen, Farben und Formen an. Der Hauptsitz der Graf-Dichtungen GmbH befindet sich im Gewerbegebiet in München-Freiham, daneben betreibt das Unternehmen zwei weitere Filialen in Berlin und einen Online-Shop. Ein großer Neubau in Freiham am Stammsitz im Münchner Westen ist geplant. Eine Firma auf Wachstumskurs. „Uns geht es gut“, sagt die 53-Jährige freimütig. Man glaubt es gern: Ihre Stimme ist fest und sanft zugleich, Freude und Zuversicht gehen von ihr aus. Ihre blauen Augen strahlen vor Optimismus. Man spürt: Hier hat sich jemand durch harte Arbeit und den Glauben an sich einen Lebenstraum verwirklicht. Einen Lebenstraum auf dem Boden von Gebilden, die alle mit Gummi zu tun haben und deren Fülle schier unüberschaubar ist. Falzdichtungen gibt es, Mittel- und Überschlagsdichtungen, in Holzzargen kommen sie zum Einsatz, und der Mechanismus von Hebeschiebetüren würde ebenfalls versagen, gäbe es sie nicht. Kaum zu glauben, was alles durch sie erst möglich wird.

(Bildinfo: Der Hauptsitz der Firma befindet sich in München-Freiham. Foto: Rafael Sala)


Catrin Graf steht vor einem Maschinenkomplex in der Lagerhalle und nimmt ein spezielles Dichtungsprofil aus dem Ablagekästchen, in das gerade mehrere solcher Gebilde vom Förderband der Anlage hinein transportiert wurden. Es handelt sich um Eckverbindungen, wie sie beispielsweise in Fenstern zum Einsatz kommen – die Gummiteile wurden zuvor im Sekundentakt an den Kanten geschnitten und passgenau zusammengefügt. Schlauchartig verlängert, ergeben sie einmal einen kompletten Rahmen. Höchste Präzisionsarbeit ist da am Werk: Man spürt sofort, dass die elastischen und an den sensiblen Stellen bombenfest verschweißten Profile, einmal an ihren Bestimmungsort gelangt, keinen Lufthauch mehr von draußen hinein lassen werden. „Vorhin bestellt – jetzt bereits fertig“, freut sich Frau Graf und überprüft das Profil auf Eigenschaften wie Zugfestigkeit und Porösität. Doch die Arbeit ist nur so gut, wie die Mitarbeiter es sind – das hat die Unternehmerin längst verinnerlicht. Es geht um den Wohlfühlfaktor im Betrieb, ein Anspruch, der Graf besonders am Herzen liegt. Sie organisiert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für ihre Angestellten – dazu gehört unter anderem, dass Überstunden eher die Ausnahme als die Regel sein sollen. Die Unternehmerin ist überzeugt, dass sich ein Problem, welches sich an einem regulären Arbeitstag als hartnäckig erweist, nicht einfach mit Überstunden gelöst werden kann. „Da bringen dann Überstunden auch nichts, da ist eine genaue Analyse gefordert“, schildert sie. „Kompetenzen werden bei uns nach Fähigkeiten und Fachwissen verteilt, wobei Teamfähigkeit bei uns großgeschrieben wird. Nur wenn alle am selben Strang ziehen, kann unser Unternehmen weiterhin so wachsen“, schildert uns Catrin Graf.

Passgenaue Förderangebote: Die Rid Stiftung

Dazu gehört vor allem auch der Bereich E-Commerce – ein blühender Wachstumszweig, der immer wichtiger wird. 50 Prozent der Aufträge werden inzwischen online abgewickelt – über professionelle Bestell-Plattformen, die einen Höchstgrad an Effizienz ermöglichen. „Der Handel ist komplett automatisiert, eingehende Aufträge werden umgehend umgesetzt“, schildert Graf. Seit 2005 gibt es den Online-Shop, seitdem wird stetig daran gearbeitet. Das Glanzstück dieses Shops ist, wie in so vielen Firmen mit einem breiten Warensortiment, die Suchmaschine – ein ausgeklügeltes System, das binnen Sekunden Kundenwünsche umsetzt und, will die Firma am Puls der Zeit bleiben, nahezu selbst im Sekundentakt optimiert werden muss. Jedes einzelne Produkt ist im Netz minutiös beschrieben. Der Kunde erfährt, wo die Dichtung genau zum Einsatz kommt und für welches System sie geeignet ist. „Im Management der Daten liegt, denke ich, die Zukunft unseres Verkaufserfolgs“, bringt es Graf auf den Punkt. Die Bandbreite an Produkten, die inzwischen online abgerufen werden kann, ist höher denn je. „Wir haben über 1200 Keywords für die Online-Suche definiert. Sehr viele Anfragen erreicht die Firma auch über WhatsApp. Keywords, WhatsApp, Suchmaschine, Optimierungsprozesse: Schon die Terminologie ist anspruchsvoll. Für die Technologie dahinter gilt das noch viel mehr. Und die will gelernt sein, dafür braucht man Know-How. Würde man sich auf diesem Feld allein bewegen, stünde man sofort im Niemandsland. Professionelle Hilfe und Begleitung ist hier ein Muss. Die hat Catrin Graf über die Rid Stiftung bekommen: Gezielte Seminare und intensive Coachingprogramme haben ihr dabei geholfen, eine Schneise ins Gestrüpp des E-Commerce zu schlagen und sich darin immer sicherer zu bewegen. Mehrere Wochen dauerten die kostenfreien Fortbildungen, an denen Frau Graf zusammen mit anderen Unternehmen teilgenommen hat. Ausgestattet wurde sie mit allem Handwerkszeug, das für das Überleben in der Branche unerlässlich ist. „Zunächst habe ich gelernt, wie man einen Online-Shop überhaupt aufbaut“, schildert Catrin Graf. Dann ging es darum, digitale Strategien stetig zu vertiefen, maßgeschneiderte Kundenprofile zu schaffen und – mit am Wichtigsten – immer wieder an Innovationen zu arbeiten. Gerade im extrem innovationsfreudigen digitalen Bereich, in dem technologische Quantensprünge geradezu täglich stattfinden, ist das unerlässlich.

 

(Bildinfo: Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern: Catrin Graf mit ihrem Sohn Benedikt Graf. Foto: Graf-Dichtungen GmbH.)

 

Die Belohnung für die harte Arbeit folgte: Für ein spezielles System zur Bilderkennung von Dichtungen, hat die „Graf- Dichtungen GmbH“ den Innovationswettbewerb „Handel im Wandel 2017“ gewonnen – ein Gemeinschaftsprojekt der Rid Stiftung, des bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, den bayerischen Industrie- und Handelskammern , dem Handelsverband Bayern und UnternehmerTUM, dem Center für Innovation and Business Creation. Das System reduziert die Suchzeit für Kundenberater vor Ort und ermöglicht einfachere Onlinebestellungen für Privatkunden. „Bislang musste man die Profile mühsam in verschiedenen gedruckten Katalogen suchen“, erzählt Graf. „Jetzt reicht es, in unserem Onlineshop ein Foto des gesuchten Profils hochzuladen.“ Schwups landet die richtige Dichtung auf dem Tisch und geht per Versand an den Kunden. Besser, schneller, einfacher geht es nicht – dank Erfindungsgeist, Unternehmertum und dem nötigen technologischen Rüstzeug. Diese Erfolge haben auch die Landeshauptstadt München aufmerksam gemacht: Für ihre Leistungen ist die „Graf-Dichtungen GmbH“ im Juli 2019 mit dem Wirtschaftspreis „LaMonachia“ ausgezeichnet worden. Ein Weg, den ihr nicht zuletzt das Beratungsangebot der Rid Stiftung geebnet hat. Ein Glücksfall, wie es Catrin Graf im Rückblick sieht: „Nach jedem Seminartag gehe ich gestärkt nach Hause. Es ist einfach toll, was man da lernt.“ wichtig.“

Catrin Graf, geschäftsführende Gesellschafterin von Graf-Dichtungen GmbH

Catrin Graf führt das Familienunternehmen in dritter Generation mit einem hoch spezialisierten Handelsprodukt. Die Graf- Dichtungen GmbH ist ein Spezialfachhandel für rund 5000 Dichtungsprofile, von Tür- und Fensterdichtungen bis hin zu Dusch- und Kühlschrankdichtungen sowie allem Zubehör dafür. Das Traditionsunternehmen ist ein etablierter Händler in der Renovierungsbranche im Bausektor. Die Firma hat ihren Sitz in München-Freiham und beschäftigt dort sowie in zwei Filialen in Berlin rund 30 Mitarbeitende. Ab 2020 plant Catrin Graf den Ausbau vom Handel hin zur eigenen Produktion von Dichtungen in Freiham. Eine Besonderheit der Firma ist auch der Online-Shop, der 2017 durch ein Bilderkennungsprogramm ergänzt wurde. Mit diesem Konzept hat das Unternehmen den Innovationswettbewerb „Handel im Wandel 2017“ gewonnen.

Die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern

Dichtungen verschließen, sie trennen ein Innen von einem Außen. Fest verschlossen müssen Türen und Fenster sein, damit kein Wind hineinbläst. Material im Millimeterbereich – in diesem Fall Gummi – entscheidet darüber, ob eine unerwünschte Lücke entsteht oder nicht. Damit keine Lücke im Unternehmen entsteht, hat sich Catrin Graf frühzeitig um ihre eigene Nachfolge gekümmert: „Der Grund für meinen Erfolg liegt nicht zuletzt darin, dass mich meine Eltern immer haben machen lassen. Diese Philosophie will ich an meinen Sohn weitergeben.“ Spätestens in zehn Jahren soll die Leitung der „Graf- Dichtungen GmbH“ in seinen Händen liegen. Doch die Staffel aus dem Sprint heraus einfach weiterzugeben – das ist nicht einfach. Auch in diesem sensiblen Bereich kann man sich von der Rid Stiftung unterstützen lassen, denn im mittelständischen Einzelhandel stellt vor allem die Nachfolge in Familienunternehmen eine große Herausforderung aber auch eine große Chance für innovative Veränderungen dar. Catrin Graf ist zuversichtlich: „Ich glaube, Graf Dichtungen war immer innovativ, und das wird es auch mit meinem Sohn sein.“

 

Interview: Rafael Sala
 

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